Flucht aus Afghanistan und Neuanfang in Deutschland

Dieser Eintrag stammt von Salma Alkozai (*1992)

Interview mit E. (*1985)

E. ist 1985 in Kabul/Afghanistan geboren. Mit nur fünf Jahren ist E. mit seiner Familie nach Deutschland aufgrund eines Bürgerkrieges geflüchtet, in der Hoffnung in Deutschland in Frieden und Sicherheit leben zu können und mit seiner Familie einen Neuanfang zu wagen.


Wie lange lebst du schon in Deutschland?

Ich lebe schon seit meinem sechsten Lebensjahr in Deutschland. In den 20 Jahren, die ich jetzt in Deutschland verbracht habe, war ich die meiste Zeit in Hannover wohnhaft. Ab dem 21. Lebensjahr lebte ich, aufgrund meines Studiums, für kurze Zeit in Oldenburg und Holzminden. Nach Beendigung meines Studiums im Juni 2012 zog ich zurück nach Hannover.

Was war der Grund für deine Ausreise aus Afghanistan und wieso bist du gerade nach Deutschland gezogen?

Damals herrschte in Afghanistan Bürgerkrieg und meine Eltern merkten, dass es immer gefährlicher für uns wurde, wenn wir noch länger in Afghanistan leben würden. Da Krieg in Afghanistan herrschte, war es absehbar, dass mein Vater auch in den Krieg ziehen müsste. Ebenso vorhersehbar war, dass ich mit 12 Jahren auch eingezogen werden würde. Um das zu verhindern, sind wir geflüchtet und die Wahl fiel auf Deutschland. Der Grund dafür war, dass Afghanistan und Deutschland gute Beziehungen hatten. Man hörte sehr gute Dinge über Deutschland und dass es dort sicher sei. Daraufhin entschlossen wir uns nach Deutschland zu flüchten.

Was waren deine Vorstellungen von Deutschland, bevor du hierhergekommen bist? Wurden diese erfüllt?

Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich sehr jung und hatte daher keine Vorstellungen, was mich hier erwartet. Meine Eltern hingegen hatten ihre Vorstellungen. So dachten sie, dass sie schnell eingebürgert würden, einen Job finden und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen könnten. Doch das alles hat sich nicht bestätigt. Wir mussten über 10 Jahre in Angst leben, dass wir jederzeit abgeschoben werden könnten, da wir nur eine Duldung in Deutschland hatten. So mussten wir auch über 10 Jahre in einem Flüchtlingslager leben, wo wir hin und wieder von Neonazis angegriffen wurden. Auch um einen Job mussten wir lange kämpfen, bis wir endlich die Arbeitserlaubnis bekommen haben.

Welche Vor- und Nachteile hat das Leben in Deutschland?

Der Nachteil hier in Deutschland ist, dass die Familie so weit voneinander entfernt lebt. Einige leben in Amerika, Kanada und England. Die Distanz macht einem zu schaffen - vor allem für meine Oma und meine Eltern, da sie von ihren Geschwistern so weit entfernt leben und sie sich nur alle paar Jahre sehen. Des Weiteren ist auch die Sprache für meine Eltern eine Schwierigkeit. Der Vorteil jedoch ist, dass man in Deutschland sicher leben kann und man gute Chancen hat, einen Job zu finden, im Gegensatz zu Afghanistan.

Welche Unterschiede gibt es bezüglich des Schulsystems zu deiner Heimat?

Das Leistungsniveau und die Disziplin der Schüler ist in Afghanistan deutlich höher. Auch die Anforderungen an die Schüler sind höher als hier. Der Unterricht in Afghanistan ist generell theoretischer als in Deutschland. Die mündliche Mitarbeit wird in Afghanistan jedoch nicht so hoch bewertet wie in Deutschland. In Afghanistan ist es außerdem selbstverständlich, dass die Söhne der Familien ihr Abitur haben. Genauso ist es auch selbstverständlich, dass die Söhne studieren.

Falls du einen deutschen Pass besitzt, fühlst du dich dann auch als "Deutscher"?

Ja, ich besitze die deutsche Staatsbürgerschaft, persönlich fühle ich mich jedoch nicht als Deutscher. Der Grund dafür ist, dass in einigen Situationen gezeigt wird, dass ich immer noch ein Ausländer bin. Obwohl ich aus Afghanistan stamme, fühle ich mich auch in Afghanistan nicht zu Hause. Das ist das Problem bei den meisten Immigranten. Der Grund dafür ist, dass sie sich irgendwo zu Hause fühlen, aber trotzdem sich mit keiner Staatsangehörigkeit identifizieren können. Sie fühlen sich nirgendwo zuhause und können sich auch mit keiner Staatsangehörigkeit identifizieren. Ich fühle mich genauso.

Hast du manchmal Heimweh?

Natürlich habe ich manchmal Heimweh, schließlich ist Afghanistan mein Heimatland. Dort wurde ich geboren, meine Vorfahren stammen von dort. Doch ich glaube nicht, dass ich heute in Afghanistan leben kann, denn ich habe mich sehr an das Leben in Deutschland angepasst und außerdem bin ich dankbar, hier leben zu dürfen und mich bilden zu können.

Wofür bist du dankbar in deinem Leben?

Ich bin dankbar, dass ich meine Familie um mich habe und dass ich die Chance hatte, mich hier zu bilden.

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