Die zwanziger Jahre in Vierlanden

Dieser Eintrag stammt von Katrin Laqua und Claudia Frobel

Interview mit Heinrich A., geb. 1914

Herr A. wuchs in Vierlanden am Altengammer Elbdeich auf, wo seine Familie noch heute wohnt. Sein Großvater baute das Haus 1884. Sein Vater, der eine Gemüsegärtnerei betrieb, fuhr auf den Großmarkt nach Hamburg, um seine Waren zu verkaufen, und zwar transportierte er sie mit Kähnen auf der Elbe. Das war in jener Zeit das praktischste und zeitsparendste Beförderungsmittel. Sehr viele Verkehrsmöglichkeiten gab es nämlich noch nicht. Heinrich A. und die anderen Kinder fuhren meistens mit dem Fahrrad. Sie hätten auch mit Marschenbahn fahren können, doch da hätten sie eine ¾ Stunde bis zum Bahnhof Fünfhausen laufen müssen. Diese war zu der Zeit nur bis Moorfleet ausgebaut. Dort musste man umsteigen, wenn man bis Hamburg weiterfahren wollte. Erst später wurde die Bahn bis Billbrook ausgebaut.

Ebenfalls mit Schiffen wurde Heizungskohle aus Sachsen gebracht. Auf Schubkarren schob man sie dann über den hohen Deich auf den Hof. Wenn man sich die Kohlen selber vom Kahn holte, war es billiger, deshalb machte es so auch die Familie von Herrn A., der sich noch ganz genau an diese schwere Knochenarbeit erinnert.

Wurde der Dünger aus dem Kehdinger Land in Schuten gebracht und am Deich abgeladen, brachte man ihn auch in Schubkarren über den Deich zum Hof. Mehrere Gemüsebetriebe teilten sich immer eine Ladung Dünger.

Die Arbeit war immer schwer und hart
Die Beschiffung war ziemlich schwierig, denn man musste sich nach der Wassertiefe richten. Deswegen konnte man die Schiffe auch nicht immer voll beladen. Stromaufwärts wurden die Schiffe an einer Kette, die auf dem Boden der Elbe lag, gezogen. Vorne am Schiff war ein Zahnrad befestigt, das die Kette über das Schiff zog. Am Heck des Schiffes lief diese Kette dann wieder hinunter auf den Grund der Elbe.
Zehn bis zwölf Schiffe wurden an dieser Kette aneinandergereiht. Ging die Fahrt stromabwärts, ließ man sie einfach treiben. Schiffer hatten schwere Arbeit zu verrichten.

Aber auch die Arbeit auf dem Land war hart, da man nicht viele Hilfsmittel hatte. Es gab noch keine Maschinen, oder man konnte sie sich nicht leisten, deswegen mussten die Bauern und Landarbeiter alles mit Muskelkraft bewältigen. Die einzigen Hilfsmittel, die man hatte, waren Spaten und Schubkarren. Und damit hatten alle Bauern an den Seiten der Grundstücke Gräben gezogen, um die Häuser bei starken Regenfällen vor Überflutungen zu schützen. So konnte das Wasser an den Grundstücken hinunter in die Gräben fließen.

Außerdem gab es noch keine Kanalisation in den Vier- und Marschlanden. Damals hatte man noch Plumpsklos, und die Gülle sowie anderes Schmutzwasser flossen in die Klärgruben. Der Winter 1929 war besonders schlimm, da die Temperaturen bis zu minus 20 Grad fielen. Der Schnee lag 70 bis 80 cm hoch. Noch im April war der Boden steinhart, und es war sehr schwer, ihn mit dem Spaten umzugraben. Der Gang zum Klo war auch sehr unangenehm denn das "Häuschen mit Herz" (dem Plumpsklo) stand auf dem Hof.

Inflation
Die Schwere der Inflationszeit haben die Menschen auf dem Land nicht als so schwierig empfunden, weil sie Selbstversorger waren. Damals mussten die Menschen das Geld, das sie am Tag verdienten, noch am selben Abend umsetzen, da es am nächsten Tag schon nichts mehr wert war. So musste Familie A., wenn der Vater abends mit einem Gemüsekorb voll Papiergeld vom Großmarkt nach Hause kam, alles noch in Waren umsetzen. Doch nur selten kamen Leute aus der Stadt, um Lebensmittel gegen mitgebrachte andere Waren einzutauschen, wie es nach dem
2. Weltkrieg viele Menschen taten.

Ausbildung zum Gärtner
Herr A. kam 1929 aus der Schule und erlernte den Beruf des Gärtners. Die schwere Arbeit kannte er schon aus seiner Kindheit. Im Frühjahr und Sommer arbeitete er in der Gärtnerei, und im Winter bekamen die Lehrlinge in der Kirchwerder Schule Fachunterricht. Den Unterricht gab ein Lehrer, der extra von außerhalb kam.

Die Versorgung auf dem Land
In kleinen Krämerläden kauften die Menschen die Lebensmittel, die sie nicht selbst produzierten. Ein bis zwei mal in der Woche kamen auch noch Schlachter und Bäcker an die Haustür.

Die Nazis auf dem Land
Die SA (Schutzabteilung) und Jugendbewegungen traf man nur vereinzelt an, aber sie haben sich nicht großartig bemerkbar gemacht. Diese hatten braune Uniformen an, deswegen nannte man sie auch "die Braunen".

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